Betrachtungen zum Sendschreiben an die Gemeinde von Laodizea

Apok 3,14-22

3,14: Dem Engel der Gemeinde in Laodizea schreibe:

So spricht der Amen, der Getreue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes:

15: Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist.

O dass du doch kalt oder warm wärest!

16: So aber, weil du lau bist und weder warm noch kalt, will ich dich ausspeien aus meinem Munde.

17: Weil du sagst: „Ich bin reich und habe es zu etwas gebracht und brauche nichts“, und gar nicht

weißt, dass du elend und bemitleidenswert und arm und blind und nackt bist,

18: darum rate ich dir, bei mir im Feuer geglühtes Gold zu kaufen, damit du reich wirst, und weiße

Gewänder, damit du dich bekleidest und Schande deiner Nacktheit nicht offenbar wird, und Salbe zum Bestreichen deiner Augen, damit du sehen kannst:

19: Alle, die ich liebe, tadle und züchtige ich.

Zeige also Eifer und bekehre dich (ändere deinen Sin)!

20: Siehe, ich stehe vor der Türe und klopfe an.

Wenn einer meine Stimme hört und die Tür öffnet, gehe ich zu ihm hinein (so werde ich bei ihm

einkehren) und werde mit ihm das Mahl halten und er mit mir.

21: Den Sieger werde ich mit mir auf meinem Throne sitzen lassen, wie auch ich gesiegt und mich zu

meinem Vater auf seinen Thron gesetzt habe.

22: Wer ein Ohr hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!“

In krassem Gegensatz zu dem tröstlichen schreiben an die Gemeinde von Philadelphia, das keinen Tadel enthält, schließt nun die Reihe der 7 Gemeindebriefe mit dem erschütterndsten, dem an Laodizea.

Laodizea, von Philadelphia 70 km südöstlich, in Phrygien, am Lykusfluss.

Zusammen mit Hierapolis und Kolossae bildet Laodizea ein wichtiges städtedreieck im Tale des Lykos und Mäander.

Laodizea ist benannt nach Laodike, der Gattin des Antiochus II (261-246 v. Chr.), der die Stadt gründete.

Infolge ihrer günstigen Lage entwickelte sich die zu einem wichtigen Handelszentrum mit Beziehungen zu den verschiedensten Provinzen und Städten des Reiches. Auch Industriestadt war Laodizea: Besonders Leinen- und Wollwebereien machten die Stadt reich. Weiter ragte die Stadt hervor durch ihr Bankwesen. Selbst Cicero empfiehlt, dort Geld zu wechseln. Laodizea war außerdem berühmt durch seine Thermalbäder, denn die warmen sprudelnden Quellen boten vielen Heilung. Außerdem gab es in Laodizea eine bedeutende medizinische Akademie und bedeutende Ärzte, die allerlei Salben und Puder als erfolgreiche Heilmittel erfanden. Diese Arzneimittel, bes. „der phrygische Puder“ und die Augensalbe, die in stäbchenform zum Bestreichen der Augen hergestellt wurde, waren im ganzen römischen Reich begehrt.

Die Kehrseite dieses Reichtums und dieses Interesses für körperliches Wohlbefinden war das materialistische Denken und eine falsche Selbstsicherheit.

Im Jahre 60 n. chr. war Laodizea durch ein Erdbeben arg verwüstet worden.

Als Kaiser Nero Hilfe anbot, lehnte die stolze Stadt diese Hilfe ab mit der Erklärung, dass sie dessen nicht bedürfe. Sie baute ohne staatliche Zuschüsse, wie Tacitus in seinen Annalen 14,29 berichtet, wieder auf. Und damals, als der Brief nach Laodizea kam, muss die Stadt wieder in schönster Weise geblüht haben.

Die Anfänge der Christengemeinde von Laodizea gehen sicher auf den heiligen Paulus zurück, der sich um sie viel Mühe und Sorge gemacht hat, wie er im Brief an die Kolosser schreibt (2,1ff): „Ihr sollt nämlich wissen, welche mühe ich mir gebe um euch und um die zu Laodizea und um alle, die mich nicht persönlich kennen. Ich möchte ihren Herzen Trost zuführen und sie in Liebe einigen und gelangen lassen zum ganzen Reichtum des vollen Verständnisses, zur Erkenntnis des Geheimnisses Gottes, das heißt Christi, in welchem alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis verborgen sind. Dies sage ich, damit euch niemand verwirre mit hochklingenden Reden.“

Zu gleicher Zeit wie an die Gemeinde von Kolossae schreib der hl. Paulus auch an die Gemeinde von Laodizea, wie sich aus Kol 4,16 ergibt: „Es grüßt euch Epaphras, euer Landsmann, ein Diener Christi Jesu. Er ringt allezeit für euch im Gebete, das ihr vollkommen dastehet, ganz erfüllt von allem, was Gottes Wille ist. Ich gebe ihm das Zeugnis, dass er sich viel Mühe gibt um euch sowie um die (Brüder) in Laodizea und Hierapolis. Es grüßt euch Lukas, der geliebte Arzt. Und Demas. Grüßet die Brüder in Laodizea und den Nymphas und die Gemeinde in seinem Hause. Wenn dieser Brief bei euch vorgelesen ist, dann sorgt, das er auch in der Gemeinde von Laodizea vorgelesen werde und dass ihr den von Laodizea zu lese bekommt.“

Dieser Brief des hl. Paulus an Laodizea ist wohl verloren gegangen.

Das religiöse Leben der Christengemeinde von Laodizea war leider nicht lobenswert. Christus gebraucht der selbstsicheren Gemeinde gegenüber ungewöhnlich harte Worte, ja schärfsten Tadel. Das lässt sogar vermuten, dass der Herr schon lange vergebens ihre Seelen zur Umkehr gerufen hat. Darum muss er nun eine so scharfe Sprache führen. – Ob mit der Lauheit dieser Gemeinde nicht auch das Verlorengehen des Paulusbriefes an sie zusammenhängt?!

Schon die Titel, mit denen der Herr sich in diesem Sendschreiben bezeichnet, teilweise ganz neue Titel, weisen auf den Ernst seiner Botschaft hin:

„So spricht der ‚Amen!“.

„Amen“ bedeutet: wahrlich, es steht fest, es gilt! Als Name erscheint uns das Amen ungewöhnlich, ja eigenartig. Gewöhnlich und zwar sehr häufig wird Amen gebraucht als Zuruf und als Gebetsschluss zur Bekräftigung. Christus benützt das Amen zur Bekräftigung und Beteuerung, gewissermaßen als Schwur, wenn er eine besonders wichtige Wahrheit verkündet (bei Johannes 25mal, und zwar doppelt: Amen, Amen dico vobis....)

Als Gottestitel wird das Amen aber doch schon bei Is 65,16 gebraucht: „Sie schwören beim Gott (des) Amen“; das bedeutet des „wahrhaftigen“ Gott, wie die Stelle auch im Septuagintatext wiedergegeben wird. Auch hier nun im Brief an Laodizea wird dieser Titel „Der Amen“ erklärt durch die Beifügung: „der treue und wahrhaftige Zeuge“. Christus ist der Wahrhaftige, Getreue, Unveränderliche, der zuverlässig Zeugnis gibt. Er tritt mit seiner ganzen Person dafür ein, dass Gottes Wort sich erfüllt und bürgt für die angedrohte Strafe nicht weniger als für den verheißenen Lohn. Was Christus verspricht, das hält er, das gilt wirklich wie ein Ja und Amen. Und er hat auch die macht, das Versprochene zu halten, denn er ist „der Anfang der Schöpfung Gottes“. Anfang nicht bloß im Sinne des zeitlichen Beginnens, wie der Erste von Gleichwertigen (Jahresanfang, Frühlingsanfang), sondern im Sinne der Ursache, als ursächlicher Anfang der ganzen Gottesschöpfung: „Alles ist durch ihn geworden und ohne ihn ist nichts geworden von dem, was geworden ist.“ Ähnliche Gedanken bringt vor allem auch der hl. Paulus im Kol 1,15 ff zum Ausdruck, wo er Christus in seiner Erhabenheit und Herrlichkeit über alles Geschaffene zeigt, weil alles, Sichtbares und Unsichtbares, durch ihn geworden ist.

In scharfem Gegensatz zu diesen erhabenen Eigenschaften des Gottessohnes befindet sich die Gemeinde von Laodizea, über die der Herr das vernichtende Urteil fällt: „Ich weiß um deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist!“

Damit wird ein furchtbares Bild von der geistigen, religiös-sittlichen Lage der Christen von Laodizea gegeben: armselige Mittelmäßigkeit, Unentschiedenheit und Charakterlosigkeit ist das Charakteristische für diese Gemeinde: Weder kalt ist die Gemeinde, d.h. nicht mehr heidnisch und ungläubig, nicht christusfremd oder gar christusfeindlich, - noch auch warm, d.h. voll lebendigen, tatkräftigen Glaubens und echter Liebe.

Man wollte nicht brechen mit Christus, nicht abfallen, - aber auch gegenüber der christusfeindlichen Umgebung wollte man keinen Trennungsstrich ziehen.

Dieser Zustand ist so verabscheuungswürdig und zugleich so verhängnisvoll und gefährlich, dass der Herr ausruft: „Wärest du doch kalt oder warm!“ D.h. hättest du doch keine Ahnung von Christentum und Evangelium oder wärest du Feuer und Flamme für seine Wahrheit und seine Forderungen! So aber – und da spricht nun Christus mit der bekannten, klassischen Stelle, die die Gemeinde vollends charakterisiert, die Drohung gegen sie aus: „So aber, weil du lau bist, und weder warm noch kalt, will ich dich ausspeien aus meinem Munde!“

Es ist ein Bild, ein Vergleich, aus den örtlichen Verhältnissen hergenommen. In der Nähe von Laodizea entspringen warme Thermalquellen (bei Hierapolis, 10 km östlich von Laodizea). Bis diese Quellen auf ihrem Lauf nach Laodizea hineinkamen, war ihre Temperatur ziemlich abgekühlt, sie waren nur mehr lauwarm. So ein laues Wasser ist aber kein angenehmes, erfrischendes Getränk, vielmehr fad und ekelhaft. Dieses lauwarme Quellenwasser ist wohl zum Baden noch geeignet, aber nicht zum Trinken. Wer davon nimmt, der speit es sofort wieder aus. So ist die Mittelmäßigkeit, das Sowohl-als-auch der satten Christen von Laodicea dem Herrn zuwider, wie Wasser aus den lauwarmen Quellen.

Das religiöse Leben der Christen von Laodicea wirkt auf den Herrn, den Wahrhaftigen, der ihre „Werke“, ihr Wesen klar durchschaut, wie abgestandenes, laues Wasser. Darum erfüllt ihn Widerwille und Ekel und wenn sie sich nicht bekehren, wird er im Gericht mit ihnen ebenso verfahren wie die Menschen mit lauwarmem Wasser: Ausspeien mit Abscheu!

Christus spricht es hier ganz klar aus, dass ein Zustand der Halbheit für Christen, erst recht für gottgeweihte, unmöglich ist: „Wer nicht mit mir ist, ist gegen mich“ (Mt 12,30) – „Niemand kann zwei Herren dienen“ (Mt 6,24). Leider versuchen das die Laodizeer: sie hinken nach zwei Seiten. Sie wollen Christen sein. Sie spüren, dass hier die Wahrheit und echtes Glück ist. Aber sie wollen auch ihren Neigungen und Leidenschaften etwas gönnen, die Liebe zur Welt und ihren Genüssen nicht aufgeben,... denn sie sind ja so reich! So satt! Sie nehmen Anteil am regen Geschäftsleben der Stadt. Ihre Unternehmen blühen, das Geld fließt ihnen reichlich zu und damit legt sich auch notwendig der Schwerpunkt ihres Interesses auf die Seite des Gelderwerbs. Reichtum, Üppigkeit, Wohlleben, ziehen dann auch ungeordnete Neigungen und Leidenschaften nach sich. Sattheit, Berechnung, Weltklugheit nehmen auch in ihrem religiösen Leben immer mehr überhand. Gottesliebe, Opfermut, Gebetsleben werden davon immer mehr erstickt. Man hält zwar noch fest an der äußeren Ordnung, am Glauben, an den Gebräuchen, aber Gott und Religion werden zu bloßen Mitteln der Gewissensberuhigung und der Lebensverschönerung. Die Kraft der Liebe und des Eifers für Gottes Ehre bestimmen nicht mehr das praktische Leben. So schwanken diese Christen (diese Ordensleute?) charakterlos hin und her zwischen Gott und dem Teufel, zwischen Tugend und Sünde, einer schwachen Gottesliebe und einer großen, ungeordneten Selbstliebe.

Da es ihnen am lebendigen, lebenweckenden Glauben, an der konsequenten christlichen Haltung fehlt, sind auch ihre „frommen Werke nur Schein. In Wirklichkeit dienen sie ja auch bei diesen „frommen“ Werken nur dem Götzen der Habsucht, der Genusssucht, des Ehrgeizes, selbst wenn sie damit Gott zu dienen glauben. – Solche Verblendung ist in ihrer psychologischen Wirkung noch schlimmer als der wirkliche Unglaube, das „Kalt“sein. Der Unglaube vertuscht ja nichts, sondern ist ehrlich und offen. Aber dieses selbstzufriedene, falsche, heuchlerische Scheinchristentum bildet das größte Hindernis für die wahre Selbsterkenntnis und eigene Bekehrung und steckt auch noch andere an...

Darum wünscht der Herr, sie wären lieber ganz kalt- statt so lau und halb.

Es wäre hier natürlich falsch, wollte man annehmen, der Herr wolle sagen: die „Kälte“ des Unglaubens sei an sich besser als die „Lauheit“ des Glaubens. Den Unglauben kann man hier nur „besser“ nennen mit Rücksicht auf die Anknüpfungspunkte der Gnade. Denn wenn einer das Glück des Glaubens noch nie erkannt hat, oder auch wenn er ganz von Gott abgefallen ist, bietet er der Gnade wenige Hindernisse als der selbstgefällige, nur auf sein Ich bedachte, laue Mensch. Er erkennt seine Armseligkeit viel weniger und reißt sich viel schwerer aus seiner selbstgerechten Halbheit als ein armer, tiefgesunkener Sünder, der sein Elend einsieht und darum wie der verlorene Sohn den Weg zum Vater wieder aufsucht.

Ja, immer wieder bestätigt des die Seelengeschichte, dass die Gnade Gottes eher einen offenen Feind, einen erbitterten, aber ehrlichen Gegner zu bekehren vermag als einen lau gewordenen, abgestandenen „Freund“. Das weltförmige Leben der Lauen, ihre Liebe zu den irdischen Gütern und Freuden und ihre scheinheilige Selbstgerechtigkeit und Selbstgenügsamkeit bringt sie in diese bedauernswerte Lage: Sattheit, Oberflächlichkeit, Verstellung, Heuchelei. Schal gewordenes Salz! Das zu nichts mehr taugt! Und diese Halbheit ist der Tod des religiösen Lebens. Diese Halbheit der Hingabe und der Energie, das Hinken nach zwei Seiten, der Versuch, zwei Herren zu dienen!

Man täuscht sich über seine innere Lage hinweg: „Ich bin ja reich und habe es zu etwas gebracht, ich habe nichts nötig!“ Ja, für alle Bedürfnisse ist gesorgt. Aus eigener Kraft, ohne fremde Hilfe ist alles geregelt (so wie die Laodizeer nach dem Erdbeben sich selbst geholfen und fremde Hilfe dankend abgelehnt haben!).

Es fehlte in der Christengemeinde von Laodizea sicher auch nicht an guten Werken, an caritativen Einrichtungen, so wie heute etwa ein protziger Großkaufmann gelegentlich etwas für die Caritas hergibt und dann den Betrag als Werbungskosten, als Steuerabzugsposten verbucht...

So schmeichelte sich die Gemeinde von Laodizea, die sich in ihrem Reichtum wohlfühlte, dass ihr religiöses Leben ebenfalls reich und in bester Ordnung sei (Der Pharisäer im Gleichnis: „Ich faste zweimal in der Woche, ich gebe den Zehent von allem...“)

Verderbliche Selbsttäuschung, weil diese Christengemeinde übersieht, dass ihr gerade das alles fehlt, was den wahren Reichtum ausmacht. Der krasse Gegensatz zu Smyrna, das arm ist an zeitlichen Gütern, aber in Wirklichkeit doch reich ist: Apok 2,9)

Der „Amen“, der „treue und wahrhaftige Zeuge“, der die Wahrheit kennt und hinter die äußere Fassade zu schauen vermag, er weist die Christen von Laodizea nun auf ihre tatsächlich bitter arme, armselige Lage hin:

„Du weißt nicht, dass du elend, erbarmungswürdig, arm, blind und nackt bist!“

5 Eigenschaften bezeichnen den wahren Zustand der Gemeinde von Laodizea. Elend und erbarmungswürdig: es ist die Lage eines Kranken, der bejammernswert dahinsiecht.

Durch die drei letzten Ausdrücke vergleicht Christus die Christen von Laodizea mit armen Bettlern, Blinden und Zerlumpten:

Arm ist die Gemeinde, weil sie keine wahren Werte, keine Ewigkeitswerte aufzuweisen hat.

Blind ist die Gemeinde weil sie ihr geistiges Elend in furchtbarer Selbsttäuschung nicht sieht.

Nackt ist die Gemeinde, ohne jedes Gewand, das sie schmücken würde, weil ihr echte Tugenden und Tugendwerke fehlen. Sobald einmal Bedrängnisse über sie kommen, wird offenbar werden, dass ihr der religiöse Schwung, die begeisternde Freude und das echte religiöse Leben wahrer Innerlichkeit fehlt, dass sie wirklich arm und krank und elend ist.

Verstrickt in krassen Materialismus, berauscht von äußeren Erfolgen, geblendet vom Scheingold der Welt merkt die abgestandene Christengemeinde ihre innere Leere und Kälte, die seelische Armut ihrer Gottferne nicht. Einmal aber wird es für sie ein furchtbares Erwachen geben! Noch wirbt der Herr um ihre Bekehrung!

Er gibt die Gemeinde noch nicht auf trotz ihres erbarmungswürdigen Zustandes. Er ist ja der gute Hirte, der sich besonders der Hilfsbedürftigen annimmt.

Gerade dieses so ernste Sendschreiben zeugt doch wieder ergreifend klar von der Hirtensorge und Hirtenliebe Christi zu den Seelen, auch zu den eigenwilligen und treulosen. Wenn sich der Teufel und die Welt so um die Seelen bemühen, dann wirbt er noch viel stärker um sie.

In dieser Guthirtensorge erniedrigt sich der Herr und macht sich gleichsam zu einem Krämer, der seine Waren anpreist:

Nachdem er den bejammernswerten Zustand der Gemeinde aufgedeckt hat, will er Hilfe bringen und zur Heilung verhelfen.

Weil das Elend der Gemeinde sich in Armut, Blindheit und Nacktheit zeigt, bietet der göttliche Krämer dreifache Linderung an, die sie gesunden lassen könnte: „Ich rate dir: kauf dir von mir durch Feuer geläutertes Gold, damit du reich wirst, und weiße Kleider, damit du dich anziehst und die Schande deiner Nacktheit nicht offenbar werde, und Augensalbe zu Bestreichen deiner Augen, damit du sehest!“

Diesen eigenartigen Rat des Herrn müssen wir aus den örtlichen Verhältnissen der Stadt Laodizea wieder deuten: Drei wirtschaftliche Einrichtungen bildeten, wie ich schon anfangs sagte, den Stolz der Stadt: die Banken, die Webereien und die medizinischen Institute mit ihren Arznei- und Kosmetikmitteln.

Die Christen von Laodizea mussten darum bei diesen Worten des Herrn unwillkürlich aufhorchen und deren Sinn eifrig erwägen.

Wie die Tuchhändler und Bankiers in Laodizea ihren Kindern oft genug sagten: „Ich rate dir...“ (Es werden schon ein paar besonders tüchtige jüdische Geschäftsleute darunter gewesen sein!), so spricht jetzt auch der Herr: „Ich rate dir“

Der Herr rät aber nicht, bei jenen Kaufleuten Rettung und Hilfe zu suchen in ihrer dreifachen Not. Sie haben ohne dies schon materiellen Überfluss auf diesem dreifachen Gebiete, sie leiden aber gerade Mangel an den ihnen entsprechenden geistigen Gütern. Dazu sollen sie nun zu ihm kommen und bei ihm einkaufen: drei geistige Heilmittel

1. Ich rate dir, bei mir in Feuer geglühtes Gold zu kaufen! Ein sonderbarer Rat! Ein Armer hat ja kein Geld. Und jetzt soll er sich Gold kaufen.

Es handelt sich hier eben nicht um gewöhnliches Gold und um gewöhnliches Kaufen. Es ist das eben geistig zu verstehen:

Schon bei Is 551 (Introitus am Sabat Sitientes vor dem Passionssonntag) hat der Her aufgefordert: „Auf, all ihr Dürstenden, kommt zum Wasser! Die ihr kein Geld habt, kommt, kauft Getreide und esst! Kommt, kauft ohne Geld und ohne Bezahlung Wein und Milch!“

Diese angebotenen Gegenstände sind Heilsgüter, die unentgeltlich gespendet werden, die also reine Gnaden sind.

So ist auch hier das im Feuer geglühte, reine, wertbeständige Gold, das nur bei Christus zu bekommen ist, seine „Gnade und Wahrheit“, das göttliche Leben. Dadurch wird die seelische Leere und Armut beseitigt. „Kaufen“ muss man diesen einzig wahren Reichtum insofern, als guter Wille, Opferbereitschaft und gläubige Hingabe von uns Menschen gefordert wird.

2. Um ihre schändliche Blöße zu bedecken, bietet der Herr der Gemeinde von Laodizea weiße Kleider an. Diese sollen den schmachvollen Zustand der Sündhaftigkeit in ihr beseitigen, denn die weißen Kleider versinnbilden die von Christus vermittelte Gerechtigkeit und Reinheit vor Gott. Durch Reue und Buße, durch Übung guter Werker uneifriges Tugendstreben können die Christen solch weiße Gewänder kaufen, herrlicher als die kostbaren Stoffe, die in den Webereien von Laodizea fabriziert wurden. Die weißen Gewänder der Gnade und Herzensreinheit bilden den würdigen Schmuck der christlichen Seele, sonst nichts.
3. Gegen ihre geistige Blindheit rät Christus der Gemeinde eine Augensalbe an. Auch damit ist wohl auf die Medizin und Kosmetik von Laodizea angespielt. Denn nach dem Zeugnis des berühmten antiken Arztes Galenus, war gerade die Augensalbe, die in Laodizea bereitet wurde, besonders empfehlenswert.

Die Augensalbe nun, die Christus der Gemeinde anbietet, gibt ihr die richtige Sehkraft, um Irdisches und Himmlisches in seinem wahren Wert erkennen und beurteilen zu können. So wird ihr die wahre Weisheit und Erkenntnis geschenkt: Noverim te, noverim me, Domine! Dass ich mich erkenne und dass ich dich erkenne, Herr! (Augustinus). Die Gnade der rechten Gotteserkenntnis und vor allem im Lichte der rechten Gotteserkenntnis dir rechte Selbsterkenntnis werden den Christen von Laodizea die Augen öffnen über ihren bejammernswerten, armseligen Zustand. Und diese Selbsterkenntnis wird die Christen von Laodizea dann erschüttern und aus dem Zustand der Lauheit zu lebendigem Glauben und glühender Gottesliebe zurückführen.

Christus, der wahre Arzt (und Apotheker) gibt für alle Krankheiten die richtige Arznei: Er, der reiche Mann, vermittelt wertbeständigen Reichtum und bietet für die Blöße die herrlichsten Gewänder. Er verlangt nur, dass wir „kaufen“. Und die Exerzitien sind so eine „Einkaufszeit“: Unser Herz aufschließen für die hilfsbereite Liebe des Herrn! Uns ehrlich bemühen um die ganze Fülle der Heilsgüter Christi! Nur er vermag uns reich zu machen!

Es ist ergreifend, wie also bei dem herben Tadel, den der Herr zuerst ausgeteilt hat, dennoch seine Sorge um das Seelenheil herausklingt.

Die laue Christengemeinde von Laodizea ist sich ja ihrer armseligen Lage gar nicht bewusst gewesen. Darum musste sie zuerst aufgerüttelt werden. Wenn der Herr deshalb hart und schroff zu ihr redete, so tat er dies doch nicht als Richter, der verdammt, sondern als Freund und guter Hirte, der zu retten sucht. Er wirbt ja um unsere Seelen.

Mit der schärfe seines Wortes will der göttliche Arzt schneiden, operieren, die Eiterbeulen aufschneiden, damit dann die Heilung eintreten kann. Letztlich beweist dieser Arzt auch dort, wo er wehtun muss, seine übergroße Liebe. Darum kann er mit recht sagen: „Alle, die ich liebhabe, weise ich zurecht und züchtige ich!“

Wäre aus diesem Verhalten des Guten Hirten nicht gar manches auch für die Guten-Hirten-Arbeit in der Seelsorge und Seelenrettung zu lernen? Es muss gar manchmal auch Tadel und strafe sein! Wenn nur getadelt und gestraft wird immer nur in der Gesinnung des Guten Hirten, aus helfender, heilender Liebe. Nicht aus falscher, schwächlicher Liebe Tadel und Strafe unterlassen, wo sie notwendig wären! Gott, dessen Liebe echt und weise ist, straft und züchtigt zuweilen hart, wo es zu unserem Heile nötig ist.

„Alle, die ich liebhabe, weise ich zurecht und züchtige ich.“ Das Wort ist wohl ein Zitat aus dem Buch der Sprüche 3,12: „Wen der Herr lieb hat, den züchtigt er, gleich wie ein Vater seinen Sohn, an dem er sein Wohlgefallen hat“.

Gott straft also aus Liebe und bezweckt damit Einkehr und Umkehr und Erneuerung des Eifers. In seiner Aufforderung zur Buße, die Christus noch ausdrücklich anfügt, zeigt sich wieder väterliche Güte und Wärme: „Sei also eifrig und bekehre dich!“ Der Herr möchte, dass alles wieder gut werde zwischen ihm und der Gemeinde. So wirbt er weiter um ihre Bekehrung.

Freilich, das Werben Christi ist kein lautes, schreiendes Werben nach der Art heutiger Propaganda in Radio und Lichtreklame. Der Herr wirbt nicht laut und aufdringlich-marktschreierisch, sondern zart, innig und darum ans ich für jene, die nicht taub und blind sind, wirklich unwiderstehlich. Selbst diese am schärfsten getadelte Gemeinde ist ihm noch so wertvoll, dass er mit suchender Liebe um sie wirbt. Dabei schlägt er die feinsten Saiten des menschlichen Herzens an: „ Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe“. Christus will darauf hinweisen, wie sehr er sich danach sehnt, mit der Gemeinde von Laodizea (mit uns allen, mit dir, mit mir) wieder in warme, herzliche Gemeinschaft zu kommen.

Wie einer, der um Einlass bittet, so mahnt und wartet der Herr auf ihre Einsicht und Bekehrung. Lass nicht mehr zu lange warten! Sieh doch ein, dass du, wenn du mich einlässt, nicht der gebende, sondern der empfangende, nicht der verlierende, sondern der gewinnende teil bist: „Wenn einer meine Stimme hört und die Türe öffnet, werde ich zu ihm hineinkommen und mit ihm Mahlzeit halten und er mit mir!“ Wie ergreifend klingt doch dieses Wort der suchenden, werbenden Heilandsliebe! Wer kann da etwa verstockt und hartherzig diesen Gnadenruf überhören? Es gilt nur, seiner mahnenden Stimme zu gehorchen, ihm die Türe des Herzens zu öffnen. Dann kommt er und wird unser trauter Seelengast und schenkt uns innigste Gemeinschaft. „Mahlzeit halten“ mit einem ist im Orient Beweis trautester Freundschaft.

Das Bild vom Klopfen an der Herzenstür zeigt so fein, wie taktvoll der Herr um uns wirbt und um unsere treue Liebe! Leise klopft er, ohne viel Lärm zu machen. Er zwingt nicht. Er wartet auf unser freies Mitwirken mit seiner werbenden Gnade! Auf das Zusammenwirken käme es an!

Wer der Welt ergeben und von ihrer Pracht und Lust bezaubert ist, den wird Christi Liebeswerben lau und gleichgültig lassen. So wird er aber auch die Gnade verscherzen.

Wer aber dem Klopfenden die Tür seines Herzens öffnet, dem wird das Glück inniger Gemeinschaft mit Christus geschenkt.

Ein solcher Mensch wird dann schon hier auf Erden – im eucharistischen Mahl oder gar vielleicht in mystischer Vereinigung der Seele mit dem Freund und Bräutigam – erfahren dürfen, dass Christi Gaben herrlicher, viel herrlicher und begehrenswerter sind als alle Kostbarkeiten der Welt. „Ipsi sum desponsata, cui Angeli serviunt, cuius pulchritutinem sol et luna mirantur...“

Der Siegerspruch weist auf den großen, schweren Sieg über sich selbst in der Überwindung der Lauheit und auf den entsprechend großen Lohn hin. Die Sünde der Lauheit und der verblendeten Selbstgerechtigkeit sind ja am schwersten zu überwinden, weil sie so sehr mit der Welt verschwistern, statt sie zu besiegen. Dem Lauen fehlt eben jene Haltung des eifervollen Glaubens, von dem Johannes in 1 Jo 5,4 sagt: „Das ist der Sieg, der die Welt überwindet, unser Glaube!“

Wer nun die Lauheit überwindet, wird königlich belohnt: „Wer siegt, den lasse ich mit mir auf meinem Throne sitzen – wie auch ich siegte und mich mit meinem Vater auf seinen Thron setzte“.

Christus als der Sieger über Satan, Welt und Tod verdiente es, zur Rechten seines Vaters zu sitzen. Und er verhieß auch seinen treuen Dienern dieselbe Erhöhung: „So vermache ich euch mein Reich, wie mein Vater es mir vermacht hat. Ihr sollt in meinem Reiche essen und trinken an meinem Tische. Ihr sollt auf Thronen sitzen und die 12 Stämme Israels richten“ (Lk 22,29f).

Auf dem Throne mit Christus sitzen! Gewaltigeres kann nicht verheißen werden als die Teilnahme an der Macht und Herrlichkeit des Herrn.